Auszug aus der Titelgeschichte "Die leise Sprache der Rosen"
Warum wir uns gestritten hatten, weiß heute wohl keiner mehr so genau. Doch klein bei- geben war unserer beider Sache nicht.
Beizeiten hatten wir lernen müssen, uns durchzu- setzen. Gegenüber Geschwistern, Mitschülern, später dann Kollegen und überhaupt. Das ganze Leben ist zu einer Frage des Seins geworden. Toleranz,
die bedeutet, die Meinung des anderen bedingungslos anzunehmen und damit oft den zweifellos bequemeren Weg zu gehen, diese Toleranz war uns zu eigen nie.
Ob immer das so richtig war, vermag zu urteilen ich nicht. In diesem Fall jedoch stießen in uns zwei scheinbar unvereinbare
Meinungen aufeinander.
Ich fragte in mich hinein, ob Menschen unvereinbar sein müssen, nur wegen verschiede- ner Ansichten.
Wir hatten einander in den elf Monaten gut kennengelernt.
Glaubten wir.
Und auch lieben.
Eine gemeinsame Wohnung wollten wir uns nehmen. Heimat für uns und all unsere Gefühle füreinander. Mit festen Wänden, nach
innen und außen. Ein Heim für zwei Herzen. Irgendwann vielleicht sogar für mehr.
Heimat, die Platz uns geben sollte, für Entfaltung. Auch Schutz, wenn Frost drohte. Wärme und Geborgenheit versprachen wir
uns. Durch Nähe. Doch dieser Streit schien unser Heim in seinen Grundfesten zu erschüttern.
Schließlich gingen wir wortlos auseinander.
Das war nun schon 3 Tage her. 3 lange Tage. Eine Ewigkeit, empfand ich. Stunden waren plötzlich endlos lang.
Und alles war ohne sie so leer. Leere. Wie im Raum, so auch in meinem Kopf.
Ich vernahm nicht die Klänge aus dem Radio. Stille schien um mich herum.
Aber es war nicht die angenehme Stille, nach der ich mich manchmal sehnte. Schmerzhaft spürte ich, was die zehn Buchsta-
ben E, I , N, S, A, M, K, E, I , und T richtig aneinandergereiht bedeuteten. Allein saß ich in meinem Zimmer. Mutter
stand in der Kü- che und bügelte Hemden. Sie hatte wohl mitbekommen, daß mich etwas bedrückte. Durch dieses feine Gespür für Unausge- sprochenes. Das kann nur Mutterliebe hervorbringen. So
scheint es mir noch heute. Wie oft schon kam sie auf mein Zimmer und hörte zu. Hörte zu, wenn ich von meinen Sorgen
erzählte. Oftmals lange. Sehr lange. Sie nahm sich die Zeit. Durch ihre BHcke gab sie mir immer wieder zu verstehen: „Rede, Junge, rede nur!".
Und ich tat es. Mit unendlicher Geduld nahm sie in sich auf, was an Worten mir wichtig erschien.
Machte meine Sorgen sich zu eigen. Meine Fragen zu den ihren. Nahm mich anstatt ihrer selbst.
...
Findet diese Liebesgeschichte ein gutes Ende?
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Lesen Sie zum Abschluss: Gedanken bei Nacht, ein Gedicht aus "Die leise Sprache der Rosen"
Gedanken bei Nacht
Des Tages spätes Licht
ganz langsam nun erlischt.
Dunkle Schleier wallen sacht
leise tritt herein die Nacht.
Sie breitet ihre Schwingen
um Menschen Ruhe zu bringen.
Wenn Sterne sich am Himmel zeigen
hüllt sich die Welt in tiefes Schweigen.
Lieg wach ich noch, von Dir so fern,
denke an Dich: Ich mag Dich gern.
Dankbar für das, was Du mir gegeben
an Kraft und Liebe aus Deinem Leben.
Hab so viel von Dir bekommen
hast selten was zurück genommen.
Im Herzen trag ich viel von Dir.
Mutter! Ich danke Dir dafür.